Gibt es wirklich Wundermittel gegen Stress?
Neben den gängigen Entspannungsverfahren wie Yoga, progressiver Muskelentspannung und autogenem Training hat sich zur Jahrtausendwende eine nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten noch effektivere Methode zur Stressbewältigung etablieren können, die Mindfulness-Bases Stress Reduction (MBSR). Seit den 2000er Jahren zog dieses Programm umfangreiche Folgestudien und Publikationen nach sich, die eine hohe Wirksamkeit der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion belegen konnten.
Im Gegensatz zur fokussierten Konzentration versucht man im Zustand der Achtsamkeit, im positiven Sinne zu dissoziieren. Man trainiert sich ein nicht wertendes Gewahrsein des gegenwärteigen Augenblicks an, eine innere Beobachtungshaltung sich selbst gegenüber, von der aus man sich mit freundlicher, wacher Aufmerksamkeit beim Denken, Fühlen und Handeln zusieht. Dabei ist eine wertneutrale Haltung entscheidend, durch die man innere Prozesse ohne zu urteilen lediglich genau wahrnimmt. Der Grundgedanke dahinter lautet, jederzeit möglichst schnell eine Selbstdistanzierung zu den eigenen Gedanken und Empfindungen erreichen zu können, damit man nicht von diesen vereinnahmt und zu automatisierten Reaktionen veranlasst wird, sondern größere Wahlfreiheiten erhält, um bewusst entscheiden zu können, wie man auf die wahrgenommene Veränderungen eigentlich reagieren möchte.
Der buddhistische Mönch und Schriftsteller Thích Nhat Hanh brachte das Prinzip der Achtsamkeit mit einem kleinen Beispielsatz auf den Punkt: “Ein klingelndes Telefon ist zunächst nichts weiter als ein Verhaltensvorschlag.” Unter Stress erlebt sich der Mensch aber meist als Getriebener, nicht agierend, sondern nur noch reagierend. Gewinnt man nun in stressreichen Situationen frühzeitig und schnell Selbstdistanz und nimmt eine innere Beobachterperspektive ein, verwandelt sich das Gefühl der Unfreiheit in eine Situation der Wahlmöglichkeit. Man erobert sich mit einer achtsamen Haltung mehr Selbstbestimmung.
Das standardisierte Achtsamkeitsprogramm kann man zwar leicht erlernen, aber häufig verliert sich die Anwendung im Alltag, weil man sich am Ende doch nicht die Zeit nimmt. Daher sind die kleinen Schritte wichtig, die man umsetzt und sei es nur eine Minute.
Quelle: Frank Henschke – Psychologie!